Adventszeit

Alles joot?

Es ist Adventszeit. Freude bereiten. Freude erleben. Das sind die Gedanken und Wörter, die uns in diesen Tagen überall begegnen; ob in den Einkaufsstraßen, bei der Fernsehwerbung, in Zeitungen und auch im Radio.

Es ist Advent, Zeit der Weihnachtsfeier, der Einkäufe, der Vorbereitungen auf das Fest.
In dieser Jahreszeit gibt es acuh wieder viel zu tun im Haxenhaus.

Aber manchmal werden wir als Wirt gefragt, warum wir die vielen Arbeitsstunden, die beim Betreiben eines Restaurants anfallen, eigentlich machen.
Eine komplett richtige Antwort gibt es nicht. Daher ist auch verwunderlich, warum viele Seiteneinsteiger in der Gastronomie ihr Glück suchen, warum sie aus „sicheren“ Berufen in die Welt der Gastlichkeit wechseln.

Vielleicht liegt die Antwort zum Teil außerhalb des technisch Gastronomischen, wie das Zubereiten von Speisen und das gekonnte Handling einer gelungenen Veranstaltung.

Es fällt mir schwer, dies anders in Worte zu kleiden als mit der Erzählung einer Geschichte, die sich an einem kalten Wintertag im Haxenhaus zugetragen hat.

Mein Sohn Frederic, der als ausgebildeter Filmemacher und Theater-Regisseur heute das Haxenhaus leitet, stupste mich an diesem besagten Abend an:
„Schau mal, was sich da abspielt, da an Tisch 1! “

Bob, so hieß er, war ein amerikanischer Gast, der alle zwei Jahre im Dezember zu einer großen Messe-Veranstaltung nach Köln kam. Jahrelang war er immer allein und unangemeldet im Haxenhaus aufgetaucht und hatte um einen Sitzplatz gebeten, obwohl das Restaurant jedes Mal wegen der Messe proppevoll war. Und jedes Mal wurde Bob gesagt, beim nächsten Mal möge er doch bitte seinen Platz vorher reservieren, damit wir ihm als Stammgast einen guten Platz zuteilen könnten.

Und in diesem Jahr, in dem diese kleine Geschichte sich zutrug, hatte Bob tatsächlich im Haxenhaus reserviert. Nein. Nicht nur für sich, sondern auch für drei seiner amerikanischen Kollegen.
Bob kam und wurde mit seinen Gästen am besten Tisch im Restaurant platziert.
Neben der Treppe und mit vollem Blick ins Restaurant war Tisch 1 die bevorzugte und ausgewählte Sitzgelegenheit für einen gemütlich, genussvollen Aufenthalt.

Alles ging bestens an Tisch 1, das Kölsch lief und die bestellten Haxen waren innen zart und außen knusprig.
In der Zwischenzeit hatte sich draußen das Wetter schlagartig geändert. Aus dem kräftigen Nieselregen waren ein heftiger Schneesturm geworden. Heftige Windböen peitschen das gefrorene Nass gegen die Fenster.
Und dann ging die Tür auf. Im Rahmen stand eine zierliche Frau, ihre große Mütze voll mit Schnee, frierend, die Handtasche vor die Brust gepresst und man sah, dass es ihr sehr kalt war. Schüchtern blickte sie in das voll besetzte Lokal und wartete darauf, dass jemand sie ansprechen würde. Als sie den langen Schal, der mehrfach um ihren Kopf geschlungen war, etwas herunterzog, sah man, dass es eine Asiatin war, die in der Tür stand.

Eine Servicemitarbeiterin, die die Verteilung der Gäste und Reservierung unter sich hatte, ging auf die Frau zu und sah, wie diese nur ihren Zeigefinger zeigte und mit leiser Stimme flüsterte: „For one Person only“

„Guten Abend, herzlich willkommen im Haxenhaus, sie sind alleine und möchten einen Sitzplatz? Entschuldigen sie, wir sind ziemlich voll und ich schaue aber gerne nach, was ich für sie machen kann“: war die Antwort der Servicemitarbeiterin.

Deren Blick fiel auf den Tisch von Bob und seinen Kollegen, an dem noch ausreichend Platz für einen weiteren Gast wäre.
„Hello Bob, tut mir leid, euch zu stören. Bitte hilf uns! Ich habe hier einen netten Gast, der einen Sitzplatz sucht. Aber wir sind voll ausgebucht und nur an eurem Tisch gibt es noch etwas Platz. Könntet ihr so nett sein, zusammenrücken und der jungen Frau einen Platz freimachen?“

„Aber natürlich, Jungs rückt zusammen und du, sag der Dame, dass wir sie gerne an unserem Tisch dabei haben möchten“ war die spontane Antwort von Bob.

Die junge Frau (sie hieß Li Wu) wurde der Gesellschaft am Tisch den übrigen Männern vorgestellt und man konnte sehen, dass sie froh war, einen Platz gefunden zu haben.

Nach einer Weile, Li Wu hatte ihr Essen bestellt, entwickelte sich ein reges Gespräch zwischen den amerikanischen Gästen und Li Wu. Alle am Tisch waren aus den gleichen Gründen in Köln und besuchten die gleiche Messe.

Hier wiederholte sich das, was seit Jahrhunderten sich hier im Haxenhaus abgespielt hat. Menschen, egal woher, treffen sich zu verschieden Gelegenheiten zu einem Mahl, trinken zusammen und lernen sich kennen.

Zurück zu Tisch 1

Nach einer gewissen Zeit rief uns Bob und flüsterte uns ins Ohr: “ Die junge Chinesin hat heute Geburtstag! Bitte überschreibe ihre Rechnung auf meine. Sie soll unser Gast sein.“

Gesagt, getan! Li Wu war eingeladen als Gast von Bob.
Und für solche Fälle haben wir immer ein kleines Tischfeuerwerk parat.
Ein kleines Dessert-Törtchen wurde in der Küche bestellt, das Tischfeuerwerk darauf platziert und mit einem Augenzwinkern in Richtung Bob vor der völlig überraschtem Li Wu auf den Tisch gestellt.

Alle anwesenden Gäste wurden über den Geburtstag von Li Wu informiert und die Servicemitarbeiter zusammengerufen, um dann gemeinsam für das Geburtstagskind zu singen:
„Happy Birthday to you“ es klang aus vielen Kehlen, vielleicht nicht ganz Chor-reif, aber aus vollen Herzen.

Li Wu war sichtlich ergriffen, erhob sich und bedankte sich mit zahlreichen Verbeugungen in Richtung ihrer Tischnachbarn und auch gegenüber allen Gästen.

„Dieser friedliche Moment, diese Freude, dieses Singen eines Geburtstags-Ständchen von Menschen aus bestimmt zehn verschiedenen Nationen in unserem uralten Haus ist das wirkliche Leben, unser Leben und keine Inszenierung auf irgendeiner Bühne. Und deshalb sind wir hier“: raunte mir Freddy ins Ohr.

Eine schöne Adventszeit wünsche ich euch Allen!

Bis nächste Woche.